Ohne Wasserstoff keine Klimaneutralität

Prozesswärme im industriellen Mittelstand - Initiative Klimahafen Gelsenkirchen legt Kurzstudie vor

 

Gelsenkirchen 6. Dezember 2022 – Auf welche klimafreundlichen Technologien sollten Unternehmen mit hohen Prozesswärmebedarfen am Standort Deutschland zukünftig setzen? Mit Blick auf Klimakrise und Gasmangellage ist diese Frage für energieintensive Mittelstandsunternehmen existenziell. Antworten dazu liefert eine heute von der Initiative Klimahafen Gelsenkirchen präsentierte, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Kurzstudie. Ihre Kernergebnisse: Der optimale Pfad zur Klimaneutralität kann nicht Top-Down durch Zuordnung zu Branchen oder Temperaturniveaus festgelegt werden. Vielmehr muss der Komplexität und Vielfalt der Prozesse zur Wärmeerzeugung Rechnung getragen werden. Neben der Elektrifizierung mit grünem Strom erweist sich die Umstellung auf grünen Wasserstoff in vielen Fällen als valide Option. Aus Sicht der Initiative ist deshalb neben dem Ausbau der Stromnetze mit gleicher Priorität der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur erforderlich, die nicht nur die Großindustrie versorgt, sondern gleichzeitig eine frühe Anbindung mittelständisch geprägter Prozesswärmecluster ermöglicht.

In einem digitalen Abschlussworkshop wurden die Ergebnisse der Studie heute erstmals einer Fachöffentlichkeit präsentiert und diskutiert. Lars Baumgürtel, Sprecher der Initiative Klimahafen Gelsenkirchen und Geschäftsführender Gesellschafter der ZINQ Gruppe fasst die Ergebnisse so zusammen: „Bislang galt die Elektrifizierung der Prozesswärme als bevorzugter Weg. Die Studie bricht diese Ausrichtung klar auf und zeigt, dass Wasserstoff eine ebenso berechtigte Alternative ist. Für die Energiewende in Deutschland macht daher für viele Betriebe die parallele Entwicklung redundanter, hybrider Systeme Sinn. Deshalb sollte die Bundesregierung die infrastrukturelle Förderung nicht nur auf Strom, sondern stärker auch auf den Markthochlauf für grünen Wasserstoff ausrichten. So kann gerade im für die Energiewende so wichtigen Mittelstand die unternehmerische Entscheidung für den optimalen Weg zur Dekarbonisierung gewährleistet werden.“

Die Studie „Dekarbonisierung der Prozesswärme im Klimahafen Gelsenkirchen“ wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert, vom Wissenschaftspark Gelsenkirchen koordiniert und von Forschern und Forscherinnen des Wuppertal Instituts und des Fraunhofer UMSICHT durchgeführt. Als eine der ersten „Bottom-up-Studien“ analysiert sie Dekarbonisierungspfade auf einzelbetrieblicher Ebene in insgesamt sechs Unternehmen und fasst diese für den Wärmecluster im Klimahafen zusammen. Betrachtet wurden die Mälzerei der Avangard Malz AG, die Getränkedosenproduktion der Ball Beverage Packing Gelsenkirchen GmbH, die Elektrobandproduktion der ThyssenKrupp Electrical Steel GmbH, die Sekundäraluminium-Produktion der TRIMET Aluminium SE, die Feuerverzinkerei der ZINQ GmbH & Co KG sowie die Aromatenproduktion der Arsol Aromatics GmbH & Co.KG.

Die Studie erhob dabei die Ist-Situation der Prozesswärme-Erzeugung in den einzelnen Unternehmen und entwickelte daraus Transformationspfade, die jeweils eine maximale Umstellung auf strombasierte Technologien, wasserstoffbasierte Technologien und einen individuellen Mix aus beiden vorsehen. Dabei wurden technische und ökonomische Eignung der Alternativen und der entsprechenden Umrüstungen berücksichtigt und mit Blick auf zukünftige Energiepreisentwicklungen und Versorgungsoptionen bewertet.

Neben Hinweisen für weitere Effizienzmaßnahmen durch Abwärmenutzung und Wärmeverbünde am Standort zeigt die Studie, dass die Umsetzung der aufgezeigten Transformationspfade letztlich vor allem von Verfügbarkeit, Infrastruktur und Kosten der jeweiligen Energieträger am Standort abhängig ist und dass im Klimahafen sowohl die Anbindung an eine leitungsgebundene Versorgung mit grünem Wasserstoff als auch der Netzausbau für strombasierte Wärmeerzeugung (Wärmepumpen etc.) für die Dekarbonisierung technisch erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll sind. Ein synergetisches Zusammenspiel von strom- und wasserstoffbasierten Versorgungsoptionen zur Erzeugung industrieller Wärme legt daher die Basis für die unternehmerische Entscheidung des individuellen Transformationspfades zur Klimaneutralität.

Simon Nowack, Wirtschaftsförderungsdezernent der Stadt Gelsenkirchen, sieht den Klimahafen als wegweisendes Leuchtturmprojekt für Cluster mit energieintensivem Mittelstand. „Die Studienergebnisse zeigen nicht nur den Unternehmen im Klimahafen am Standort Gelsenkirchen Optionen für einen zukunftsweisenden Pfad zur Transformation auf. Eine Umsetzung der Erkenntnisse steigert die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Gelsenkirchen gleichermaßen. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Wasserstoffinfrastruktur geschaffen werden. Der Klimahafen Gelsenkirchen kann dabei ein Beispiel für vergleichbare mittelständische Industriecluster in der Region sein.“

Unterstützung erhält die Initiative auch aus der Region. Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen sieht nun die Politik am Zug: „Die IHK Nord Westfalen unterstützt den Klimahafen Gelsenkirchen bei der Entwicklung zu einem nachhaltigen und innovativen Cluster für den energieintensiven Mittelstand. Der potenzielle Einsatz von grünem Wasserstoff erfordert den Auf- und Ausbau einer leistungsstarken Transport- und Verteilinfrastruktur“, betont Jaeckel. Dabei dürfe der Fokus nicht allein auf die überregionalen Netze gelegt werden. Um die mittelständische Wirtschaft auf dem Weg zu einem schnellen Umstieg auf grünen Wasserstoff zu unterstützen, müsse der Ausbau regionaler Transport- und Verteilinfrastruktur direkt parallel zum Ausbau der überregionalen Netze laufen. „Ein frühzeitiger Zugang zu grünem Wasserstoff für den energieintensiven Mittelstand stellt eine wichtige Voraussetzung dar, um die Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe in unserer Region zu erhalten sowie die angestrebten Klimaziele zu erreichen“, so Jaeckel abschließend.

Die vorläufige Endfassung der Kurzstudie steht auf dem Internetauftritt der Initiative zum Download bereit (Link zum Download der Studie). Die Studienergebnisse werden von den Fachleuten der Unternehmen im Klimahafen individuell ausgewertet. Im Januar 2023 wird die Initiative mit einem daraus hervorgehenden Papier an die Politik herantreten. Um die Forderung nach einem zügigen Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur zu untermauern, setzt sich die Initiative für eine erweiterte Bedarfsabfrage bei Unternehmen auf Ebene der Gasverteilnetze in der Metropole Ruhr und im Münsterland ein.

 

Über den Klimahafen Gelsenkirchen

Der Klimahafen Gelsenkirchen wurde als Initiative von Unternehmen und Einrichtungen am Standort Stadthafen Gelsenkirchen im Mai 2021 gegründet. Die Initiative umfasst aktuell 20 Partner, sie wird vom Wissenschaftspark Gelsenkirchen im Auftrag der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen koordiniert und von der IHK Nord Westfalen unterstützt.  

Folgende Unternehmen haben sich bisher angeschlossen:
ArcelorMittal Bremen GmbH, Arsol Aromatics GmbH & Co. KG, Avangard Malz AG, Ball Beverage Packaging Gelsenkirchen GmbH, Ruhr Oel GmbH - bp Gelsenkirchen, Emscher Lippe Energie GmbH, Gelsenkirchener Logistik-, Hafen- und Servicegesellschaft mbH (GELSEN-LOG.), Hegmanns AG, Müller´s Mühle GmbH, RK Verpackungssysteme GmbH, Mühle Rünigen Stefan Engelke GmbH, Schmitt Stahlbau GmbH, thyssenkrupp Electrical Steel GmbH, TRIMET Aluminium SE, Spedition Trettin, Umweltservice Trettin GmbH, Uniper Energy Sales GmbH und ZINQ GmbH & CO.KG. Weitere Informationen unter www.klimahafen-gelsenkirchen.de.

 


Für Rückfragen der Medien:

Wolfgang Jung, Telefon 0209.167-1005, jung@wipage.de
Stephan Rath, Telefon 0209.167-1010, rath@wipage.de

Wissenschaftspark Gelsenkirchen GmbH, Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen

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