Klimaschutzverträge: Förderrichtlinie ist nicht mittelstandsfreundlich. Klimahafen Gelsenkirchen nimmt zunächst nicht teil.

Aktuelle Rahmenbedingungen des vorbereitenden Verfahrens zur neuen Förderrichtlinie "Klimaschutzverträge" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erlauben es dem Cluster im Klimahafen Gelsenkirchen nicht, sich um die Differenzförderung zum Einsatz alternativer Energieträger zu bewerben. Die Initiative hofft auf zukünftige Anpassungen und Ergänzungen für mittelständische Prozesswärmecluster.
 

Klimahafen Gelsenkirchen (Julian Schäpertöns).

Bereits 2045 - in weniger als 25 Jahren- soll Deutschland klimaneutral sein. Dann dürfen nur noch so viele Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben werden, wie ihr gleichzeitig (z.B. durch Aufforstung) entzogen werden können. Dieses ehrgeizige Ziel erfordert einen raschen und umfassenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Transformation zum klimaneutralen Industrieland muss frühzeitig alle Sektoren der Wirtschaft erfassen – nicht nur die Großunternehmen der Grundstoffindustrie, sondern auch den Mittelstand in Industrie und Gewerbe.

Der Klimahafen Gelsenkirchen mit seinen mittelständisch geprägten, energieintensiven Betrieben steht dabei prototypisch für Prozesswärmecluster in ganz Deutschland mit hunderten von Unternehmen und Tausenden von Beschäftigten. Der Prozesswärmecluster aus sechs energieintensiven Betrieben verbraucht rund 559 GWh an Prozesswärme pro Jahr. Dazu kommen 52 GWh/th an Wasserstoff als Prozessgas, sowie 120 GWh/el an elektrischem Strom pro Jahr.

Viele der Unternehmen in der Initiative beschäftigen sich durch eigene Projekte zur Erdgassubstitution, Energieeffizienz, Abwärmeverbünden oder zur Anwendung zirkulärer Geschäftsmodelle bereits intensiv mit den Herausforderungen der Zukunft. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Initiative grundsätzlich das Angebot des Förderprogramms ‘Klimaschutzverträge‘ des BMWK.

Das Förderprogramm Klimaschutzverträge unterstützt Industrieunternehmen dabei, in klimafreundliche Produktionsanlagen zu investieren, die sich andernfalls nicht rechnen würden (z.B. in der Stahl-, Zement-, Papier- oder Glasindustrie). Dadurch werden unmittelbar große Mengen Treibhausgas eingespart. Vor allem wird aber die dringend notwendige Markttransformation angestoßen. (...) Die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion ist allerdings häufig mit hohen Kosten und vor allem Preisrisiken verbunden. Daher meiden viele Industrieunternehmen diese Investitionen aktuell noch.

Klimaschutzverträge sichern Unternehmen gegen die Preisrisiken (etwa von H2 oder CO2) ab, gleichen Mehrkosten aus und schaffen dadurch sichere Investitionsrahmenbedingungen in Deutschland. Gleichzeitig wird der Staat aber auch an den wirtschaftlichen Chancen einer Umstellung auf klimafreundliche Technologien beteiligt. Das Förderprogramm bedient sich eines Auktionsverfahrens: Unternehmen müssen bieten, wie viel staatliche Unterstützung sie benötigen, um mit ihrer transformativen Technologie eine Tonne CO2 zu vermeiden. Dadurch erhalten nur diejenigen Unternehmen den Zuschlag für einen Klimaschutzvertrag, die besonders günstig ihre Produktion umstellen. Im Gegenzug entfallen im gesetzlichen Rahmen die sonst üblichen Dokumentations- und Nachprüfpflichten, die zu einer hohen Belastung von Unternehmen und zu aufwändigen Bewilligungsverfahren geführt haben(...)

Den geförderten Unternehmen wird eine variable Förderung gezahlt, deren Höhe sich nach den jeweiligen Mehrkosten der klimafreundlichen Anlage im Vergleich zur konventionellen Anlage bemisst. Wenn die klimafreundliche Produktion günstiger wird als die konventionelle, soll sich die Zahlung umkehren: Die geförderten Unternehmen zahlen sodann Mehreinnahmen an den Staat. Wenn das grüne Produkt preissetzend geworden ist, kann der Klimaschutzvertrag aufgehoben werden(...)

Das erste vorbereitende Verfahren wurde am 6. Juni 2023 gestartet.

(siehe: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Klimaschutz/klimaschutzvertraege.html)

Gerne hätte sich der Cluster bereits an diesem ersten vorbereitenden Verfahren beteiligt bzw. eines der Mitgliedsunternehmen bei der individuellen Antragstellung begleitet. Auch wenn im Cluster vor Ort signifikante CO2-Minderungspotenziale und geeignete Vermeidungsmaßnahmen identifiziert wurden, lassen einige der definierten Rahmenbedingungen eine Teilnahme an diesem ersten Verfahren leider nicht zu. Dabei geht es um Minderungspotenziale von rund 157.000 Tonnen direkter Co2-Emissionen pro Jahr (siehe DBU-Studie).

Die DBU-geförderte Bottom-Up Studie sieht durch methodisches Vorgehen nach dem Vier-Stufen-Modell der klimaneutralen Prozesswärmeerzeugung durch

1. Steigerung der Effizienz
2. Erschließung neuer Wärmequellen
3. Elektrische Wärmeerzeugung
4. Alternative Energieträger (z.B. Grünem Wasserstoff)

die mögliche Reduktion der direkten CO2-Emissionen im Prozesswärme-Cluster im Klimahafen wie folgt. Der Großteil der möglichen Emissionsreduktionen geht dabei auf die Umstellung der Energieträger bei der Prozesswärmeerzeugung zurück (Grüner Strom bzw. H2), deren zu Beginn höhere Betriebskosten durch die Differenzförderung im Rahmen der Förderrichtlinie "Klimaschutzverträge" kompensiert werden könnten.

  • um rund 152.000 t/a in einem Szenario „max. Wasserstoffnutzung“

  • um rund 159.000 t/a in einem Szenario „max. Elektrifizierung“

  • um rund 157.000 t/a in einem Szenario „individueller Transformationspfad“, das als wahrscheinlichster Entwicklungspfad angesehen wird. Das entspricht einer Minderung um rund 92 %.

Um eine Empfehlung zu geben, welche regulatorischen Anpassungen bei der Ausgestaltung zukünftiger Förderaufrufe erforderlich sind, um diese und vergleichbare Potenziale heben zu können und welche Rahmenbedingungen geschaffen bzw. angepasst werden müssten, um den Unternehmen vor Ort zu ermöglichen, an dem Förderprogramm teilzunehmen, wurden folgende Anmerkungen auch in Richtung der Fördermittelgeber beim BMWK kommuniziert:

  • Die bereits im Vorverfahren erforderlichen detaillierten Angaben zum Dekarbonisierungsprojekt und der spätere, mögliche Ausschluss vom Verfahren durch zu starke Abweichung stellen besonders mittelständische Betriebe vor hohen Arbeitsaufwand zur Teilnahme. Insbesondere wenn ggf. eigene Referenzsysteme zu entwickeln und mit öffentlich verfügbaren Quellen zu begründen ist.

  • Der notwendige Ausbau sowohl der elektrischen als auch insbesondere der Wasserstoffinfrastruktur vor Ort ist noch nicht so formell konkretisiert, dass zum Zeitpunkt der Bewerbung verlässlich Aussagen zu Zeitpunkt, Mengen und Kosten für die Berechnung der Differenzzahlungen bzw. das Gebot getroffen werden können.

  • Die de-minimis-Schwelle für förderfähige Projekte (aktuell 10.000 t CO2 p.a.) müsste entweder deutlich gesenkt werden oder alternativ müsste die Möglichkeit vorgesehen werden, Konsortien auch mit verschiedenen Referenzsystemen/ Endprodukten bilden zu können. Aktuell sieht die FRL zwar die Möglichkeit vor, dass ein Vorhaben Produkte aus verschiedenen Referenzsystemen umfassen kann (FRL 4.6), allerdings muss das Vorhaben eines Konsortiums insgesamt einem Referenzsystem zuzuordnen sein (FRL 5.2), beziehungsweise muss ein technologischer Verbund der Herstellungsprozesse der förderfähigen Produkte bestehen (FAQs 147) und ein Konsortium muss sich auf ein Industrieprodukt als Ziel der Produktionskette beschränken.

    Damit fallen räumliche Cluster, die mehrere Vorhaben mit verschiedenen Prozessen und Endprodukten umfassen, und gebildet werden, um gemeinsam über die Schwelle für förderfähige Projekte zu kommen (wie z.B. im Klimahafen), aus der Förderung raus. Auch die Möglichkeit eines Vorhabens, das z.B. Produktion von Wasserstoff vor Ort im Hafen und Lieferung an (da sie teilweise alleine unter der Mindestgröße liegen) mehrere Unternehmen in unmittelbarer Nachbarschaft beinhaltet, wäre somit nicht förderfähig, da zwischen den Unternehmen kein technologischer Verbund besteht.

    Die FRL scheint sich daher v.a. auf Verbünde und Konsortien innerhalb der gleichen Wertschöpfungskette zu beziehen. Rein räumliche Cluster an Prozesswärmeanwendungen unterschiedlicher Produkte und Referenzsysteme, wie sich die Verteilung mittelständischer Betriebe in Deutschland eben zum Großteil darstellt, fallen somit auf mehreren Ebenen aus den Förderbedingungen heraus.

Umrüstung und Betrieb der dekarbonisierten Produktionsprozesse erfordern die Vorhaltung einer bisher nicht verfügbaren Wasserstoff-Infrastruktur sowie ggfs. die deutliche Aufrüstung der Stromversorgungsanschlüsse für den jeweiligen Standort. Dies wird sowohl kapitalintensive Investitionen (CAPEX) als auch zumindest vorübergehend höhere Betriebskosten (OPEX) zur Folge haben.

Im Einzelnen müssen die zusätzlich anfallenden Kapitalkosten und der aus der Umstellung der Energieträger von Erdgas auf Wasserstoff und/oder Strom resultierende Anstieg der Energiekosten aufgefangen werden. Hierbei kommt den Differenzverträgen (in angepasster Ausführung) und besserem Zugang zu CAPEX-fördernden Programmen (wie z.B. „Dekarbonisierung der Industrien“) eine hohe Bedeutung zu.

Was für den Cluster im Klimahafen Gelsenkirchen gilt, trifft auch für weitere Einzelbetriebe und Prozesswärme-Cluster bundesweit zu. Mit den Hinweisen hofft die Initiative einen Beitrag zu einer möglichen Überarbeitung der FRL leisten zu können.

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